Heute Morgen bin ich mit einem Kopf voller wirrer Gedanken aufgewacht. Gedanken über die Pandemie. Gedanken über die Welt, wie sie vorher war. Und die beharrliche Stimme in meinem Kopf, die sagt, dass nichts wieder so sein wird, wie es einmal war. Es grenzt an purer Verzweiflung, wenn ich anfange, mich mehr mit dem Thema zu befassen. Nicht nur mit der Pandemie, sondern mit dem Großen dahinter. Die Umweltkatastrophe, auf die wir zusteuern. Oder dank der Pandemie mitten drin stecken. Pure Verzweiflung, wenn ich sehe, was die Politik macht. Wenn ich sehe, was die anderen Länder machen. Wenn ich sehe, was meine Mitmenschen machen. Wenn ich sehe, was ich mache. Ich kaufe Plastik. Ich kaufe mir neue Klamotten. Ich kaufe billiges Fleisch. Ich kaufe Bananen aus Panama. Das ganze Jahr über. Ich fahre mit dem Auto. Vielleicht versuche ich das alles so weit wie möglich zu reduzieren. Aber ohne geht es nicht. Ich bin wahrscheinlich nicht willensstark genug. Und es fühlt sich so oft auch so sinnlos an. Was nützt es, dass ich das ganze Jahr über Fahrrad fahre, wenn ich auf dem Weg in den Park 10 Minuten an der Straße stehen muss, weil 1000 Autos an mir vorbeifahren, in denen jeweils nur eine Person sitzt? Was nützt es, wenn ich mein weniges Studentenleben-Geld zusammenkratze, um mir Bio Fleisch zu kaufen, wenn bei den Supermärkten reihenweise Fleisch weggeschmissen wird? Was nützt es, wenn ich mir die schlecht sitzende Second Hand Jeans kaufe, wenn meine Mitmenschen in Läden einkaufen gehen, in denen ein Kleidungsstück kaum mehr als 2€ kostet? Von menschenunwürdigen Produktionsbedingungen mal abgesehen. Entschuldige ich mich damit selbst? Ganz sicher. Aber ich fühle mich so machtlos. Dem Konsum von billigen, menschenunwürdigen, umweltschädlichen Produkten ausgeliefert. Mir fehlt die Initiative von oben. Von der Regierung. Was auch schon wieder ein neues Fass voller Gedanken öffnet, die zu komplex und langwierig sind, um sie hier und jetzt weiter auszuführen. Aber ist es nicht so, dass die meisten Menschen nicht begreifen, dass es bei der Umweltdebatte nicht um ein Konstrukt geht? Dass es nichts abstraktes ist? Dass es real ist. Dass es eigentlich bedeutet, sich zwischen Leben und Tod zu entscheiden? Das Thema wird nicht eindringlich genug präsentiert. Von vielen Politikern belächelt. Ist das die Ignoranz der Menschen, sich nicht mit dem Tod befassen zu wollen? Die Erde wird uns überleben. Wir sind wie Bakterien, die die Erde besiedeln. Und die Erde bekommt Fieber. Denn wir sind zu viele geworden, die Erde muss sich von uns befreien. Damit sie wieder gesund werden kann. Oder wir fangen an, gute Bakterien zu sein. Solche, die die Erde unterstützen. Ihr helfen, ihre Gesundheit aufrecht zu erhalten. Ein Gleichgewicht. Die Pandemie ist eine Antwort der Erde auf ein Ungleichgewicht. Ironie, dass sie vor allem die Alten trifft? Die, die nicht auf die Jungen hören wollen, die immer wieder versuchen sich Gehör zu verschaffen? Dass etwas geändert werden muss. Natürlich ist es nicht richtig alle über einen Kamm zu scheren. Aber Umweltschützer schreien schon seit Jahrzehnten, dass etwas geändert werden muss. Und die Generationen vor uns haben es zumindest nicht für nötig gehalten, ihnen zuzuhören oder Gehör zu verschaffen.
Jetzt, wo es ernst wird. Erst jetzt wurde uns Gehör verschafft. Und was machen wir Jungen? Wir bleiben zu Hause. Verzichten auf unsere Jugend. Um die zu schützen, denen wir das Alles hier verdanken. Und die Meisten von uns machen das sehr verantwortungsvoll. Tragen die Maske richtig. Halten Abstand. Treffen sich immer nur mit den selben Freunden. Machen keine Coronapartys.
Und dann stehe ich im Supermarkt. Hinter mir eine dicke Frau, Mitte 60. Sie denkt nicht daran Abstand zu halten. Dicht drängt sie sich an mich. Kein Einkaufswagen. Die Maske hängt an ihrem Kinn. Und da frage ich mich. Denkt jemand daran, sich mal bei uns zu bedanken? Dass wir auf euch Rücksicht nehmen, obwohl es uns egal sein könnte? Und ihr steht da, Maske am Kinn. Corona Leugner, Querdenker, Klimaleugner. Mitverantwortlich für diese Krise. Natürlich hattet ihr eure eigenen Kriege zu kämpfen. Der zweite Weltkrieg, die Nachkriegszeit. Wiederaufbau, Wiedervereinigung. Frauenrechte, Rassendiskriminierung. Traurig daran ist, dass nicht einmal diese Kämpfe gewonnen zu sein scheinen. Ist es das also? Kämpfen die Jungen für irgendetwas und den Alten ist es egal? Und dann, wenn man selbst anfängt alt zu werden, wird es einem auch egal? Ist es das? Wird man des Kämpfens müde und beschließt, dass doch alles gar nicht so schlimm ist wie es ist und doch irgendwie so vor sich hin läuft? Warum sind gerade die einzigen Menschen, die laut werden, solche, die pausenlos Müll von sich geben? Und warum zeigen so häufig die Alten mit dem Finger auf die Jungen? Ist es eine Art Selbstschutz, um das eigene Wegschauen zu rechtfertigen? Wenn sich zwei junge Menschen fehlverhalten, reicht das um die ganze Generation an den Pranger zu stellen? Können wir nicht einfach mal innehalten. Aufhören mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und anfangen, etwas zu ändern? Und zwar nicht einfach nur die Infektionszahlen niedrig halten, sondern die Ursache bekämpfen? Und nein, die Ursache ist nicht das Virus. Die Ursache ist der Klimawandel. Vielleicht könnt ihr ja endlich die nötige Verantwortung übernehmen und etwas ändern. Vielleicht fangen wir endlich an, laut genug zu werden. Und vielleicht könnt ihr euch ja auch mal bei uns dafür bedanken, dass wir zu Hause bleiben um euer Leben zu retten. Und dann etwas dafür tun, um unser Leben zu retten. Das Leben eurer Kinder. Und das eurer Enkel.
Hammer gut geschrieben! Danke Marlies!!! Ich denke trotzdem das Kleinvieh Mist macht – jeder einzelne kann etwas bewegen. Wenn JEDER etwas kleines beiträgt, ist die Masse groß und wir können beeinflussen.
Ich versuche bewusstes, nachhaltiges Leben nicht als ‚Einschränkung‘ zu sehen – es ist das neue ‚Normal‘ geworden. Ach je…ich könnte noch ewig weiter schreiben. DANKE für diesen Beitrag!
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Ich sehe es ganz genauso wie du. Wenn sich jeder anfängt ein wenig zurück zu nehmen, haben wir schon einen Riesen Schritt gemacht.
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