Krank? Ist doch nur die Periode

Der Wecker klingelt. Ich mache meine Augen auf und bin – wach. Ich bin wach und fröhlich, ausgeschlafen. Ich habe mich seit Wochen nicht mehr so gut gefühlt. Fast zwei Monate lang war ich erschöpft, abgeschlagen, reizbar. Dazu kam ein andauerndes Stimmungstief und ständige Übelkeit. Fast zwei Monate: Seitdem ich abgestillt habe, um genau zu sein. Schuld waren die Hormone. Meine körpereigenen Hormone, die mich von einem aktiven, sportliebenden, ausgeglichenen Menschen zu einem müden, antriebslosen, gereizten Monster gemacht haben.

Die meisten Menschen mit Uterus kennen das, auch ohne, dass sie schwanger waren oder gestillt haben. Manche haben jeden Monat damit zu tun. Immer und immer wieder. Und das oft so regelmäßig, dass sich mach eine:r die Uhr danach stellen kann.

Was passiert eigentlich bei Menschen mit Uterus im Laufe eines Menstruationszyklus?

Der Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Periode. Er kann ich drei Phasen eingeteilt werden.

  1. Follikelphase
  2. Ovulationsphase
  3. Lutealphase

Die weiblichen Sexualhormone können in Östrogene und Gestagene eingeteilt werden. Das wichtigste Östrogen ist Östradiol, das wichtigste Gestagen ist Progesteron. 
Während des Menstruationszyklus sind Östrogene für den Wachstum der Gebärmutterschleimhaut zuständig. Außerdem für den Transport und die Einnistung der Eizelle in die Gebärmutter. Gestagene bereiten die Gebärmutterschleimhaut auf die Einnistung einer befruchteten Eizelle vor. Außerdem spielen die Hormone FSH (Follikelstimmulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) eine entscheidende Rolle. 
Zu Beginn stößt der Körper einen Teil der Gebärmutterschleimhaut ab, was eine Blutung zur Folge hat. Der Körper wird nun auf die Befruchtung einer neuen Eizelle vorbereitet. Dazu bilden sich Follikel, in denen jeweils eine unentwickelte Eizelle liegt. Durch das Hormon FSH entwickeln sich diese weiter, sodass die Follikel größer werden. Dort bildet sich Östrogen. Je größer die Follikel werden, desto mehr Östrogen wird gebildet, wodurch sich die Gebärmutterschleimhaut wieder aufbaut.
Der erhöhte Östrogenspiegel führt zur Ausschüttung von LH, wodurch der am weitesten entwickelte Follikel platzt und die reife Eizelle in den Eierstock freigibt. Die Eizelle ist nun zur Befruchtung bereit. Dieser Vorgang ist der sogenannte Eisprung.
Der geplatzte Follikel wird in eine Drüse (Gelbkörper) umgewandelt, die Progesteron ausschüttet. Progesteron bereitet die Gebärmutterschleimhaut auf eine befruchtete Eizelle vor. Wird sie nicht befruchtet, bildet sich der Gelbkörper wieder zurück, bis er ungefähr 12 bis 16 Tage nach dem Eisprung abstirbt. Östrogen- und Progesteronspiegel sinken, ein neuer Zyklus beginnt.

Reduzieren wir es auf den Hormonhaushalt: Während der Periode ist der Östrogen- und Progesteronspiegel niedrig. Dann steigt zuerst der Östrogenspiegel an, bis er zum Zeitpunkt des Eisprungs seinen Höhepunkt erreicht und wieder sinkt. Anschließend steigt der Progesteronspiegel. Um zu wissen, warum es uns an einem bestimmten Punkt unseres Zyklus besser oder schlechter geht, müssen wir uns also diese Hormone genauer anschauen.
Östrogen aktiviert die Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin, Dopamin und Glutaminsäure, während es den Botenstoff GABA eher hemmt. Progesteron wirkt entgegengesetzt: Es aktiviert eher den Botenstoff GABA.
Serotonin wird auch als Glücksbotenstoff bezeichnet, Dopamin wirkt euphorisierend, Noradrenalin antreibend, hebt die Stimmung und körperliche Aktivität, Glutaminsäure regt das Denken an, nimmt Einfluss auf Konzentrationsvermögen und das Gedächtnis. GABA dahingegen wirkt ermüdend und stimmungsdämpfend. Sinkt der Östrogenspiegel in der zweiten Hälfte des Zyklus wieder und steigt die Progesteronausschüttung, wird die Stimmung gedämpft. Der Drang nach körperlicher Aktivität sinkt, man wird schneller müde. Diese Veränderung kann ein Stimmungstief verursachen. Zusätzlich verursacht Progesteron eine Kontraktion der Gebärmutter, um die Gebärmutterschleimhaut abstoßen zu können, was viele durch krampfartige Schmerzen im Unterleib, die sich auf den ganzen Körper ausbreiten können, bemerken. Das verursacht unter Umständen Verdauungsbeschwerden und Übelkeit. Durch den niedrigeren Östrogenspiegel leiden manche Frauen unter Kopfschmerzen und Migräne. Außerdem führen die hormonellen Veränderungen zu Wassereinlagerungen, die einen Gewichtsunterschied von bis zu 4 kg ausmachen können. Betroffene haben häufig ein schmerzhaftes Spannungsgefühl in den Brüsten.

Menstruation ist keine Krankheit. Aber es kann sich manchmal so anfühlen. In Indien hat ein Lieferdienst für 10 Tage im Jahr einen Menstruationsurlaub eingeführt. Für Menschen mit Uterus besteht die Möglichkeit, pro Zyklus jeweils einen Tag frei zunehmen. In der Gleichberechtigungsdebatte ist dieses Konzept umstritten: „Ihr wollt Gleichberechtigung, also müsst ihr auch genauso viel arbeiten!“ Aber geht es bei Gleichberechtigung darum? Muss alles gleich sein? Oder geht es nicht viel mehr darum, für alle möglichst gleich „angenehme“ Bedingungen zu schaffen? Fakt ist: Viele Menschen mit Uterus sind aufgrund der Menstruation hin und wieder arbeitsunfähig. Aber weil es „nur“ die Periode ist, nehmen sie lieber jede Stunde ein neues Schmerzmittel und trinken Literweise Kaffee, anstatt sich krank zu melden. Sich wegen der Periode krank zu melden, würde alles kaputt machen, was sich Frauen über all die Jahre hinweg aufgebaut haben. Es würde bedeuten, dass sie nicht genauso arbeitsfähig und „stark“ wie Männer sind. So zumindest scheint der allgemeine Konsens.

Aber: Unsere Körper leisten Wunder. Wir sind dazu in der Lage, aus einem Haufen Zellen einen Menschen zu formen, der selbst atmet, läuft und denkt. Um dieses Wunder vollbringen zu können, bereitet unser Körper Monat für Monat alles vor, schafft ideale Bedingungen. Ideale Bedingungen, um ein Kind zu zeugen. Nicht, um von morgens bis abends im Büro zu sitzen oder von einem Termin zum nächsten zu hetzen. Es ist keine Schwäche, sich wegen der Periode krank zu fühlen – es ist menschlich! Und zwar nicht das gesellschaftlich-„männlich“ definierte menschlich, sondern das genderneutrale, das Menschen mit Uterus einbeziehende, menschlich. Das wir bis jetzt kein Platz für Weiblichkeit am Arbeitsplatz haben ist nicht deine Schuld. „Scheiß drauf!“. Melde dich krank, wenn es nicht anders geht. Du musst niemandem etwas beweisen. Lass dir nicht einrede, du wärst deswegen schwach. Es ist stark, für sich selbst einzustehen, sich etwas Gutes zu tun. Und vielleicht gibt es ja auch in Deutschland irgendwann einen Menstruationsurlaub. 

Quellen

Studienbrief HFH Biopsychologie, Hormone, Sexualität, Schlaf – Mulack
https://www.sexmedpedia.com/auswirkungen-von-sexualhormonen-auf-die-psyche/
https://www.regelschmerzen.de/regelschmerzen/symptome-begleiterscheinungen

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