Vor mir die Hoffnung

Ich habe lange hin und herüberlegt wie ich diesen Text schreiben soll.
Ich bin keine studierte Psychologin, nicht mal ausgelernte Ergotherapeutin, und somit auch nicht ansatzweise in der Position, fachliche Ratschläge zu geben. Alles, was ich hier berichte, habe ich entweder selber in der Verhaltenstherapie gelernt oder eigenständig recherchiert. Beides werde ich genauso kennzeichnen. Ich habe mich dazu entschlossen, die Main Game Changer, also Erkenntnisse die den größten Einfluss auf mich hatten, zusammenzufassen. Wichtig ist hierbei, dass diese Punkte FÜR MICH funktioniert haben, das jedoch nicht für euch gelten muss. Manch eine/r mag so ticken wie ich und etwas daraus mitnehmen, für die anderen ist es vielleicht schon längst abgewählt. Bitte haltet euch das vor Augen, wenn ihr Betroffene der Thematik seid. Ebenso gilt für mich: Therapie, egal in welcher Form, war der way to go für mich und lege ich jedem ans Herz, der sich in einem schwer/kaum auszuhaltenden mentalen Zustand befindet. Bitte wendet euch an die vorgesehenen Kontakte!

Im letzten Beitrag erwähnte ich bereits, dass es mir aktuell ganz gut geht. Das genieße ich gerade sehr, denn vor ein paar Wochen sah die Welt noch ganz anders aus (shoutout an meine Freunde an der Stelle, danke das ihr da wart!) und wenn ich nicht aufpasse katapultiere ich mich in Nullkommanichts wieder in diesen Zustand. Da ich ein sehr emotionaler Mensch bin stehe ich darauf, die Dinge hin und wieder rational runterzubrechen auf ein greifbares Minimum. So sehe ich vieles etwas klarer und verstehe die Welt um mich herum besser – Ergo: keine Panikattacken. Fangen wir also kurz mit den Basics an:

Was löst Angst in mir aus?
Eigentlich ganz einfach: Kontrollverlust, so wie bei sehr vielen Menschen. Aber was heißt das in meinem Fall eigentlich genau?
Es gibt sehr viele Situationen, in denen ist es völlig normal Angst zu haben, wenn man die Kontrolle verliert. Zum Beispiel, wenn man beim Auto fahren merkt, dass die Bremse nicht funktioniert. Und dann gibt es Momente, da ist es für mein persönliches Empfinden einfach nur völlig unangemessen und nervig. Zum Beispiel wenn ich Sonntagnachmittag mit meinen Freund:innen auf der Gartenterasse in der Sonne liege und gerne entspannen würde. Oder wenn ich zum Osterfrühstück bei Bekannten eingeladen bin. Oder auf der CSD Parade, auf die ich

das ganze Jahr hinfieber. Oder oder oder.. Ihr merkt schon, kann ganz schön ätzend sein, denn eigentlich ist das Leben schön und die Dinge die ich aufgezählt habe erst recht. Wenn ich jeden Moment, in dem ich Angst empfunden habe, auseinander nehme und analysiere, finden sich da ein paar Auslöser (Trigger) wie..

  • Ruhe (und damit verbunden: Zeit zum Nachdenken und Erinnerungen an Kindheitstraumata, die ich mit Ruhe verbinde)
  • Wochenenden & Ferien (siehe oben)
  • Reizüberflutung (auditiv, visuell, olfaktorisch – alles zusammen) und damit einhergehend: Partys, Festivals, Veranstaltungen jeglicher Art
  • Fremde Menschen (schwierig in Anbetracht des obrigen Punktes)
  • Allein sein

..und Verstärker wie..

  • Alkohol und Drogen
  • Schlafmangel
  • Koffein
  • Grenzüberschreitung (durch mich selbst oder Außenstehende)
  • Prokrastination
  • Chaos/unübersichtliche Situationen
  • ungesunde Ernährung und zu wenig Wasserzufuhr
  • Social Media

Wie definiert sich mein Leidensdruck unter Angstzuständen?
Fängt die Spirale einmal an sich zu drehen, dann kommen sie alle, die guten alten Freunde der Panikattacken: Gedankenkreisen, erhöhter Puls, Kurzatmigkeit, ein Gefühl völliger Deplatzierung, verschwommene Wahrnehmung, die Hinterfragung der Realität und das schlimmste – die Angst vor der Angst. Denn wenn ich etwas gelernt habe, dann dass die Angst IMMER wiederkommt und ich da so GAR KEINEN Bock drauf habe. Meist finde ich mich dann in einer Wolke der Benommenheit wieder aus der man mich nur schwer herausbekommt. Dennoch: Es gibt Wege. Ich habe mir die letzten Monate ein paar Coping Strategien zurecht gelegt, die für mich Sinn machen.

Was tun gegen die Angst?
Ich wünschte ich könnte sagen ich wäre schon früher darauf gekommen, aber so richtig hat es dann doch erst die letzten Wochen geklickt. Ich beginne damit, ungesunde Situationen, wenn möglich, einfach direkt zu vermeiden. Stelle mich selbst und mein körperliches sowie geistiges Wohlbefinden an erste Stelle. Das hat zur Folge, dass ich plötzlich..

..weniger und zu bewusst ausgewählten Zeiten Kaffee trinke
..Veranstaltungen nur besuche, wenn ich einen Safe Space/eine Safe Person vor Ort habe und ich einen Mehrwert daraus ziehen kann
..keine Drogen und nur noch sehr wenig Alkohol konsumiere
..viel mehr Sport treibe und mich ausgewogener ernähre
..darauf achte ausreichend und vorallem gut zu schlafen
..ich meine Ängste laut ausspreche und mein Umfeld dafür sensibilisiere
..zulasse, meine Gefühle, vor allem die negativen, zu fühlen und loszulassen

Natürlich verfällt man in Stresssituationen in alte Verhaltensmuster. Darin bin ich verdammt gut! Zwar werde ich von Mal zu Mal besser darin, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen, aber die Angst ist eine sneaky Begleiterin und lauert bereits an jeder Ecke. Dafür habe ich sogenannte „Skills“, also Fertigkeiten um mit problematischen SItuationen besser umzugehen:

  1. Musik
    Mein absoluter Lieblingsskill, denn er hilft fast immer. Ich besitze für jedes Gefühl Playlists. Hier lege ich besonders wert darauf, die Gefühle auch wirlich zu zu lassen und mich selbst nicht zu belügen oder abzulenken. Ich höre morgens direkt zum Aufstehen Musik zur Antriebssteigerung und Motivation für den Tag, zur Reizisolation wenn ich unterwegs bin oder während der Arbeit um in den richtigen Workflow zu kommen.
  1. Gedanklicher Rückzugsort/Atemmeditation
    Ich habe echt lange gebraucht um in der Welt der Meditation Fuß zu fassen. Ganz lange konnte ich mich nicht fallen lassen, gerade allein ist es mir sehr schwer gefallen. Dank meiner Praktikumsanleiterin habe ich meinen zweitwichtigsten Skill gefunden, ein geistiger Rückzugsort, an den ich gehen kann wenn die reale Welt zu viel wird. Dieser Ort ist unser Kleingarten im Hochsommer. Die Sonne steht hoch, ich spüre die warmen Terassensteine unter meinen nackten Füßen und höre Insekten summen. Irgendwo in der Ferne wird gegrillt, das kann ich riechen. Ich fühle mich in dieser Erinnerung sehr geborgen, obwohl da nur ich bin, niemand sonst. Gefunden habe ich diesen Ort dank der angeleiteten Atemmeditation, in der ich ebenfalls lernen durfte, dass es okay ist, viel zu grübeln, solange man in der Lage ist, diese Gedanken auch in die zweite Reihe abtreten (nicht verschwinden) zu lassen und immer wieder zur eigenen Atmung zurück zu kehren.
  2. Reden
    So banal es auch klingt. Manchmal reicht es, jemandem zu sagen, dass man gerade eine Angstattacke hat. Sobald ich dieses Gefühl laut ausspreche habe ich bereits weniger Angst und weiß, dass da jemand ist, der Bescheid weiß und bestenfalls für mich da sein kann.
  3. Sport
    Unter Angstzuständen wird extrem viel Cortisol (Stresshormon) ausgeschüttet. Sport hilft dabei, dieses Hormon abzubauen. Ich habe das große Glück, eine Sportart gefunden zu haben, die mich nicht nur auspowert sondern auch seelisch erfüllt, in dem ich mich immer wieder neu kennen lerne und über mich hinaus wachse. Ganz zu schweigen von einer Kommunity, in der ich mich sicher und bestärkt fühle.

Das war jetzt ganz schön viel, ich weiß.
Aber immerhin haben wir das jetzt einmal schön zusammen gefasst. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass diese Erkenntnisse größtenteils sehr frisch sind und mit Vorsicht zu genießen. Alles was ich heute sage und fühle kann morgen schon wieder anders aussehen und das ist normal, denn so spielt das Leben. Das einzig Konstante bleibt die Veränderung.

Cheers to that und bis zum nächsten Mental Breakdown,
eure Amira

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