KLIMAWUT

KLIMAWUT klingt so, als ob wir auf das Klima oder wegen des Klimas wütend wären. Dabei haben wir um das Klima Angst oder wegen des Klimas Angst. Wütend sind wir dagegen auf ganz andere: auf die Menschen, die die Krise noch immer nicht sehen wollen. Auf die Menschen, die uns im Weg stehen und nicht verstehen, dass wir ganz klare Linien haben, die wir nicht weiter übertreten dürfen. (Und die beiden Letztgenannten tragen in sich auch eine große Wut, aber dazu vielleicht an einer anderen Stelle mal mehr). Wir sind wütend auf diese maßlosen, unzähligen Ungerechtigkeiten, die wir auch noch ungewollt mittragen. Vor allem sind wir jedoch wütend auf Menschen in Machtpositionen, die im Wohle der Menschheit handeln sollten. Wir sind wütend auf dieses ganze kapitalistische System.

Hambi, Danni, Lützi, Fecher, Heibo. Um nur ein paar Namen zu nennen. Bei vier von ihnen handelt es sich um Wälder (teils mit Mooren, die große Mengen Co2 speichern können) und bei einem Namen um ein Dorf, das gerade Schlagzeilen macht. Alle haben gemeinsam, dass sie gerodet bzw. abgerissen werden sollen, und zwar für die Gewinnung von Braunkohle, um Autobahnen zu bauen oder Platz für Sand- und Kiesabbaufelder zu schaffen. Letzteres klingt so lächerlich wie es ist.

Schauen wir uns nochmal die Sache mit der Braunkohle an: es ist heftig, wie RWE bereits seit dem Hambacher Forst mediale Aufmerksamkeit erlangt hat und wir nun erneut über den größten Energiekonzern Deutschlands sprechen müssen. Der Hambacher Forst wurde bereits seit den 70ern für Braunkohle gerodet, da gab es noch lange kein Klimaabkommen. 2018, als RWE die Fläche, die vom Hambi übergeblieben war, ebenfalls roden wollte, sah die Rechtslage schon anders aus. Seit 2016 haben wir das Pariser Klimaabkommen und seit 2018 zudem ein festgelegtes Regelwerk, damit die 195 unterzeichneten Staaten die Ziele auch erreichen. 1,5 Grad – und kein Grad weiter. Die Proteste für Hambi waren groß und sie haben es geschafft, die Rodung zu stoppen. So blieb Zeit, mit einem erneuten Gutachten zu zeigen, dass die versuchte Rodung nicht rechtens gewesen war. Und der Hambi bleibt vorerst (vor RWE) gerettet. Schlecht geht es dem Wald trotzdem.

Ein ähnliches Szenario haben wir uns auch für Lützi erhofft. Das Dorf Lützerath wird seit 2020 verteidigt. Damals fing RWE an, um Lützerath herum nach Braunkohle zu Baggern. Letztes Jahr gab es den Deal zwischen den Grünen und RWE: Kohleausstieg wird von 2038 auf 2030 vorgezogen, mehrere Dörfer bleiben bestehen und doch muss Lützerath für Kohle weichen. Obwohl wir diese laut Gutachten nicht brauchen. Die Initiative „Lützi lebt“ waren noch vor einer Woche die letzten überbliebenen Dorfbewohner:innen. Sie haben eine Utopie geschaffen, die ohne eine Hierarchie auskam. Sie haben ein Leben gelebt, in der keine Diskriminierungen reproduziert wurden und in der Klimaarbeit intersektional gedacht und demnach gehandelt wurde. Letzte Woche, ein paar Tage nach der großen Demo, wurden die Aktivisti komplett geräumt. Das Ausweichcamp in Keyenberg besteht noch immer und ist angemeldet bis zum Ende der Rodungssaison.

Spätestens seit den letzten Jahren haben wir verstanden, welche Ungerechtigkeiten die Klimakrise reproduziert: Ein moderner Imperialismus sorgt dafür, dass der globale Süden vom globalen Norden ausgebeutet wird. Wir erleben eine Ungleichheit der Generationen: was die Zahl der Bevölkerung, die Zahl der Wähler:innen und generell die Schuld an der Klimakrise betrifft. Wir erleben Klassismus, was die Ressourcen und die Möglichkeiten betrifft, ein emissionsarmes Leben zu führen. Kurzum sind diejenigen, die die Klimakrise am Meisten zu verantworten haben, reicher, älter, haben mehr Emissionen verursacht und werden nicht dasselbe Ausmaß der Erderwärmung miterleben als diejenigen, die ärmer, jünger und weniger Emissionen verursacht haben (siehe Earth Overshoot day). Die Letztgenannten werden das Ausmaß der Klimakrise zu spüren bekommen, obwohl sie am Wenigsten dafür können. Und sehr viele Menschen spüren die Auswirkungen bereits heute – bei 1.2 Grad Erderwärmung. 

In der Klimakrise herrscht ein solches Ungleichgewicht, dass aufkommende Wut schnell zu einer Ohnmacht kippen kann. Erst letzten Oktober erschien das gemeinsame Buch „Gegen die Ohnmacht“ von Luisa Neubauer und ihrer Großmutter Dagmar Reemtsma. Passender hätte der Titel wohl nicht sein können. Gegen die Ohnmacht hilft vor allem, sich zu Informieren und zu Handeln. Trotz all der Ungerechtigkeiten oder vielleicht gerade wegen ihnen. Erst durch Handeln kann auch Hoffnung aufrecht erhalten werden oder eine kollektive Hoffnung entstehen. Wut ist auch verglichen mit Trauer die aktivere Emotion. Sicherlich verknüpfen sich die beiden Emotionen auch bei vielen von uns. Doch in kompletter Traurigkeit ist wohl selten jemand Demonstrieren gewesen. Wir brauchen unsere Wut, um auf der Straße Gerechtigkeit für alle erkämpfen zu können.

Zurück zum Demonstrieren: ich bin für die Großdemo am 14.01. nach Lützerath gefahren. An meinen Stiefeln hatte noch bis vor wenigen Tagen der Schlamm vom Acker geklebt. Ich habe dort mit vielen weiteren Menschen (für einige bestimmt zum ersten Mal – inklusive mir) mit eigenen Augen eine weitere Ungerechtigkeit gesehen: die Polizei(arbeit) im Kapitalistischen System. Wie soll man es ertragen, dass die Instanz, die Menschen(leben) schützen soll, stattdessen die Interessen eines Großkonzerns schützt, der (unterstützt von der Bundesregierung) mit seinem Vorhaben wahrscheinlich die 1.5 Grad Grenze reißt und damit das Pariser Klimaabkommen bricht?! Natürlich kann man argumentieren, dass das Vorgehen der Polizei auf einer Rechtsgrundlage beruht. Doch unter welchen Bedingungen wurde der Deal beschlossen, den die Bevölkerung wiederum mit etlichen Petitionen und Gerichtsverfahren versuchte zu kippen, um das weitere Baggern bis 2030 zu Verhindern. Außerdem wird in dieser gesamten Debatte vollkommen hintergangen, dass vor jedem einzelnen Beschluss das Klimaabkommen Vorrang zu haben hat. Wie kann es sein, dass das nicht eingehalten wird?

Wütend wird man außerdem, wenn volluniformierte, mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern ausgestattete Polizeieinheiten auf (friedliche und unschuldige) Demonstrierende einprügeln. Bei all der Wut, Verzweiflung, Trauer, Angst und vielleicht auch Ohnmacht bleibt einem am Ende nur eine Option: zu Handeln. Entweder auf der Straße beim Demonstrieren, beim Unterschreiben einer Petition, durch ein Kreuzchen für eine klimafreundliche Partei bei der nächsten Wahl oder vielleicht beim Besetzen, um einen Ort mit der eigenen Anwesenheit zu schützen. Update: seit paar Tagen geht die Schlagzeile herum, dass RWE Klimaaktivisti nun sogar verklagen will. Da bleibt einem nach einem Kopfschütteln echt nur noch eins zu sagen: Klimaschützen ist kein Verbrechen!

Quellen und Infos zu/m: Hambi (Hambacher Forst), Danni (Dannenröder Forst), Lützi (Lützerath), Fecher (Fechenheimer Wald), Heibo (Heidebogen Wald), Pariser Klimaabkommen, Abkommen der Grünen und RWE, RWE will Schadensersatz

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