Warum mir feministische Kämpfe manchmal schwer fallen

Berechtigte und notwendige Diskurse, die die Diskriminierungen von Frauen (und weiblich gelesenen Personen) betreffen, machen etwas mit mir. Manchmal bemerke ich, dass ich nicht einfach alles abnicken kann. Ich spüre einen Widerwillen. Vielleicht ist es meine Wut, die sich ihren Weg behutsam nach oben bahnt. Auf jeden Fall spüre ich meine innere Notwendigkeit, Vielem etwas entgegenzusetzen. Es kann aber auch sein, dass Vieles in mir Wunden anreißt. Denn schlimmer noch als Diskurse über Frauen, sind Diskurse über Mütter für mich. Meine eigene Mutter hat vieles in mir, was das betrifft, kaputt gemacht.

Ich weiß, dass ich nicht allein damit bin, wenn ich sage, dass ich kaum Kontakt zu meiner Mutter habe. Es gibt viele Menschen, die den Kontakt zu ihren Eltern sogar komplett abgebrochen haben. Und das ist mehr als okay. Wir schulden unseren Eltern rein gar nichts. Vor allem nicht, wenn die Beziehung zu ihnen schmerzbehaftet ist. Die Beziehung zu meiner Mutter gleicht eigentlich eher der einer toxischen Beziehung, ich von meiner Seite aus, habe wohl nur nicht komplett den Kontakt abgebrochen, weil ich im Prinzip so erzogen wurde, dass ich Mitgefühl mit ihr habe, durch die Erzählungen, die ich aus ihrem Leben kenne. Und eine riesengroße Schuld schwingt auch mit.

Care-Arbeit, die nicht gewürdigt und nicht bezahlt wird, Abhängigkeiten Frauen ihren Männern gegenüber, sei es finanziell oder der Sprache betreffend und Entscheidungen, die aus Liebe getroffen wurden (wie die, ein Land verlassen zu haben) und dann bereut wurden. Das kenne ich aus meiner Familie auch. Und ich habe genügend Gründe sehen gelernt, wieso meine Mutter jahrelang gestresst war. Ungleichheiten in Beziehungen betreffen uns alle, auch wenn wir wissen, wo diese Ungleichheiten liegen. Rollenklischees schlummern in allen von uns und kommen dann zum Vorschein, wenn auch Kinder in den Beziehungen existieren. Doch es gibt einfach Menschen, die für all das nichts können. Also wirklich nichts dafür können – und damit meine ich die Kinder. In all den Erzählungen und Darstellungen von ungleichen Verhältnissen in Beziehungen zwischen Frauen und Männern fehlen eigentlich immer die, die am wenigsten für die Zustände können und manchmal einfach alles abbekommen. Und auch die Erwartungen, die Eltern zum Teil an ihre Kinder haben und welchen Druck sie ihnen bereiten, erhöht sich, wenn Klassismus, Migrationserfahrung und weitere Diskriminierungserfahrungen eine Rolle spielen. Ich wurde zum Beispiel auch ganz anders erzogen als meine Eltern erzogen wurden. Nur dass vieles, was früher als „normal“ galt, einfach schädlich war. Und diese Tatsache muss so benannt und von Menschen, die so aufgewachsen sind, gesehen und verstanden werden.

Ich schweife ab. Mit Vielem, was meine Mutter gefordert hat und als ungerecht gesehen hat, hatte sie recht. Nur, dass ihre Methoden, um sich Gehör und Respekt zu verschaffen, wiederum aus einer anderen Kiste der Ungerechtigkeiten kam. Sie hat weiteres Leid verursacht. Warum es mir manchmal so schwer fällt, über Diskriminierungen gegenüber Frauen und Mütter zu lesen, liegt nicht nur daran, dass mir die Perspektive der Kinder fehlt, sondern, dass ich automatisch jedes Mal eine Anstrengung durchleben muss. Ich muss die Frau, die sie ist, von der Frau trennen, die meine Mutter ist. Sie war und ist eben meine erste Begegnung mit einer Frau. Und dieser Zustand wird mich mein gesamtes Leben begleiten. In vielen Geschichten von Frauen, die von Ungerechtigkeiten sprechen, taucht sie auf und ich gleiche ab und ich wäge ab. Und ich hasse es, dass es so ist. Natürlich habe ich mittlerweile auch meine eigenen Erfahrungen gesammelt, ich habe Bücher gelesen und anderen Menschen zugehört. Trotzdem kann ich es manchmal kaum ertragen, vor allem, wenn es um Mütter geht. Diese Wunde muss sich vielleicht erst schließen, damit ich feministische Kämpfe nicht mit ihr in Verbindung bringe. Oder ich werde lernen, mit dem Zustand leben zu müssen, dass ich nicht alles einfach abnicken kann. Und Wut hochkommt.

Am Ende hat alles seinen Ursprung irgendwo im Patriachat. Doch dieser Zustand ist keine Rechtfertigung, höchstens vielleicht eine Erklärung dafür, dass Menschen weiteren Menschen Leid zufügen. Und im Prinzip können wir nur eins machen: es erkennen, lernen und es selbst besser machen. Nämlich für uns einzustehen, ohne schädliche Verhaltensweisen zu benutzen.

2 Gedanken zu “Warum mir feministische Kämpfe manchmal schwer fallen

  1. Zuallererst mal Danke für diese eingehende Schilderung!!!
    Besonders tragisch empfinde ich es, dass sich die Bewusstwerdung der eigenen Traumata teilweise erst so spät vollzieht, dass die eigenen Kinder bereits alles abbekamen.
    Von meinem persönlichen Fall ausgehend, habe ich erst mit 35 Jahren meinen ersten Sohn bekommen. Und bereits am Weg so manches zu verstehen, habe ich mich sehr bemüht, bei ihm keine Wunden zu hinterlassen. Und natürlich habe ich ihn oft genug verletzt.
    Als ich 16 Jahre später noch einen zweiten Sohn bekam, dachte ich allen Ernstes, dass ich nun der perfekte Vater sein könnte.
    Und nun fühle ich noch immer so viel Schmerz aus meiner eigenen Kindheit in mir, sodass ich immer wieder in den Zustand heilloser Überforderung gerate.
    Nun ist die Frage: Was macht ein Mensch, wenn er den Schmerz nicht mehr erträgt???
    Hilfe holen?
    Die habe ich seit Jahren!
    Es lassen sich nur einige Umstände nicht einfach so auflösen!
    Als ich Kind war, war das Schlagen seiner Kinder noch nicht mal von gesetzeswegen verboten!
    Kurzum, wenn ich mit der Arbeit an mir fertig bin, bin ich zu alt um Kinder aufzuziehen.
    Wir benötigen eine Struktur, in der bereits Jugendliche ihre Traumata aufzulösen beginnen.
    Wir benötigen Betreuungspersonen in Schile und Kita, die selbst keine unbearbeiteten Traumata mit sich tragen!!!
    Und Eltern die wirklich Hilfe erhalten und die keine Angst haben müssen, dass ihnen ihre Kinder weggenommen werden.
    Ich als Mann habe das, was gemeinhin unter Patriachat zusammen gefasst wird, bereits soetwas von satt.
    Und doch füttere ich das System weiter.
    Wie wir alle!
    Wir alle halten dieses menschenverachtende Monster am Leben, ganz unbewusst, doch mit vollem Einsatz.

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    1. Hallo Walter, danke für deine Geschichte und die Schilderungen deiner Gedanken 🙂 Ja, ich denke, dass Hilfe holen in Form einer Psychotherapie der erste Schritt ist. Aber natürlich bleiben manche Dinge wohl das Leben über erhalten und wir müssen lernen, in einer „guten“ Art und Weise damit zu leben. Und wenn man vom Individuum absieht, bleiben Strukturen, die ungünstig sind, nicht helfen etc. Veränderungen passieren in kleinen Schritten, das lässt mich hoffnungsvoll bleiben.

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